Darmkrebs

Unter dem Begriff Darmkrebs oder kolorektales Karzinom werden bösartige Erkrankungen des Dickdarms (Kolon) und des Enddarms (Rektum) zusammengefasst. Zwei Drittel der Karzinome entstehen im Dickdarm, ein knappes Drittel im Enddarm. In weniger als fünf Prozent der Fälle ist der Dünndarm betroffen. Darmkrebs ist eine der häufigsten Krebserkrankungen in Deutschland. Mit zunehmendem Alter (ab 60 Jahre) nimmt das Risiko zu erkranken deutlich zu. Aufgrund verschiedener Risikofaktoren oder erblicher Disposition kann es aber auch schon in jüngeren Jahren zu einer Erkrankung kommen. 

Da sich die meisten Karzinome des Darms aus gutartigen, sehr langsam wachsenden Darmpolypen entwickeln, ist die regelmäßige Darmspiegelung (Koloskopie) eine wichtige Vorsorgemaßnahme. Krankenkassen übernehmen die Kosten ab dem 55. Lebensjahr, für Risikopatienten auch schon früher.

Im zertifizierten Darmkrebszentrum des Gemeinschaftskrankenhauses Havelhöhe arbeiten Gastroenterologen und Chirurgen bei der Diagnose und Behandlung von Darmkrebs interdisziplinär eng zusammen. Dies hat für die Patienten den Vorteil, dass alle Spezialisten vor Ort sind und sie für bestimmte Untersuchungen oder Verfahren nicht verlegt werden müssen. Diagnostik und Therapie können unkompliziert und zeitnah aufeinander abgestimmt werden, Informationsverlust und unnötige Wartezeiten werden vermieden. 

URSACHEN UND RISIKOFAKTOREN

Für die Entstehung von Darmkrebs kommen verschiedene Ursachen und Risikofaktoren in Frage:

  • Ein angeborener genetischer Defekt (ca. 5% -10% der Erkrankten)
  • Eine familiäre Häufung von Darmkrebs, Verwandte ersten Grades (Mutter/Vater) sind meist ebenfalls früh an Darmkrebs erkrankt
  • Eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung (CED), die seit mehr als 10 Jahren besteht (Colitis Ulcerosa oder Morbus Crohn mit ausgedehntem Dickdarmbefall)
  • Eine ungesunde Ernährung: ballaststoffarme, fettreiche und fleischreiche Kost
  • Übergewicht
  • Wenig Bewegung
  • Rauchen, häufiger Alkoholkonsum
  • Diabetes mellitus Typ 2 (Zuckerkrankheit)
  • Das Vorliegen weiterer Krankheiten (HNPCC und FAP, Gardner-Syndrom, Peutz-Jeghers-Syndrom)

BESCHWERDEN / SYMPTOME

Beim Darmkrebs treten im frühen Stadium meist keine Symptome auf. Erst in späteren Stadien machen sich unspezifische Beschwerden, wie krampfartige Leibschmerzen, veränderte Stuhlgewohnheiten (Auftreten von Durchfall/Verstopfung im Wechsel, bleistiftdünner Stuhl), Müdigkeit und Schwäche bemerkbar. Oft leiden die Betroffenen an Eisenmangel/Blutarmut und sind blass. Insbesondere beim Enddarmkrebs bemerken die Patienten Blut im Stuhl, hinzu kommen  imperativer Stuhldrang, oft ohne Darmentleerung und im fortgeschrittenen Stadium Gewichtsverlust. Gutartige Darmpolypen, die im Laufe der Zeit entarten können, machen in der Regel selten Beschwerden, so dass Sie das Angebot der kostenlosen Darmspiegelung auch dann nutzen sollten, wenn Sie keine Symptome bemerken.

DIAGNOSE

Um den Verdacht auf Darmkrebs zu erhärten, ist in jedem Fall eine Darmspiegelung (Koloskopie) nötig. Mit dem Endoskop führt der Arzt zusätzlich ein kleines Instrument in das Darminnere ein, mit dem er Gewebeproben entnehmen kann. Diese werden anschließend histologisch untersucht und geben sicheren Aufschluss, ob es sich um einen Tumor handelt und über den Differenzierungsgrad der Zellen (Grading). Dies ist wichtig, um unter anderem einschätzen zu können, wie aggressiv der Tumor wachsen wird.

Polypen und Tumore, die endoskopisch entfernbar sind, können bei der Untersuchung sofort abgetragen werden.

Zusätzlich zur Darmspiegelung wird durch Ultraschall des Bauchraums und Rektums (Endosonographie) sowie CT- und Röntgenaufnahmen vom Bauchraum und der Lunge abgeklärt, wie weit sich der Tumor ausgebreitet und ob er gegebenenfalls schon gestreut hat. Auf dieser Basis kann der Tumor einem bestimmten Stadium zugeordnet und die entsprechenden Therapieoptionen können geplant werden. Alle Patienten mit Tumorerkrankungen werden in der interdisziplinären Tumorkonferenz, an der Gastroenterologen, Chirurgen, Radiologen, Nuklearmediziner, Onkologen und ggf. weitere Spezialisten teilnehmen, vorgestellt und beraten. Am Ende steht ein individuell zugeschnittenes Therapiekonzept, das die größtmöglichen Aussichten auf Erfolg verspricht.

OPERATIVE/CHIRURGISCHE THERAPIE

Ziel der operativen Therapie ist es, das Tumorgewebe vollständig zu entfernen und so eine Heilung zu erreichen. Der betroffene Darmabschnitt wird mit den dazugehörigen Blutgefäßen sowie den umliegenden Lymphknoten entfernt. Im Fall von Enddarmkrebs werden schließmuskelschonende Verfahren angewandt, so dass bei etwa 90% aller Patienten ein dauerhaft künstlicher Darmausgang (Stoma) vermieden werden kann. Eine Heilung ist heute bei Darmkrebs auch zum Teil noch möglich, wenn der Tumor schon Metastasen in Leber und/oder Lunge gestreut hat. Hier wird in einer ersten Operation zunächst der Darmtumor entfernt und bei weiteren Operationen die Metastasen. Auch in fortgeschrittenen Stadien kann eine Operation sinnvoll sein, um Komplikationen, etwa einen Darmverschluss, zu vermeiden.

Bei nicht operablen Metastasen steht im Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe als weiteres etabliertes Verfahren die Radiofrequenzablation zur Verfügung. Hier werden in örtlicher Betäubung die metastatischen Knoten zerstört.

Bei Enddarmkrebs ist es in einem Teil der Fälle empfehlenswert, der Operation eine Strahlentherapie/Chemotherapie vorzuschalten, um den Therapieerfolg zu verbessern (neoadjuvante Therapie).

In etwa 70% aller Fälle ist es möglich, die Tumore mittels minimal-invasiver Chirurgie (Laparoskopie Schlüssellochchirurgie) zu entfernen. Im Vergleich zur offenen Operation ist dies für den Patienten schonender und ermöglicht eine raschere Genesung, da ein großer Bauchschnitt vermieden werden kann. Durch die minimal-invasive Chirurgie ist ein zielgenaues, komplettes Entfernen des Tumors ebenso erfolgreich möglich wie bei einem großen Bauchschnitt.

Wann immer möglich, arbeiten wir im Rahmen von Darmkrebsoperationen nach dem Fast-Track-Konzept. Ziel ist es, die Folgen der Operation für die Patienten möglichst gering zu halten, ihre Erholung zu fördern und Komplikationen zu vermeiden. Hierzu wurden verschiedene Module mit Maßnahmen entwickelt, die unter anderem eine Verbesserung der Schmerzkontrolle, eine frühe Mobilisierung der Patienten und eine frühe Umstellung auf die gewohnte Nahrung vorsehen. Auf Sonden und Drainagen wird weitgehend verzichtet. Die Rekonvaleszenz setzt früher ein. Zur Umsetzung des Fast-Track-Konzepts bedarf es einer engen Zusammenarbeit von Ärzten, Pflegenden und Patienten.

MEDIKAMENTÖSE THERAPIEN

Im Anschluss an eine Operation, bzw. in manchen Fällen auch schon davor, erfolgt in Abhängigkeit von Stadium und Zellbeschaffenheit des Tumors häufig eine zusätzliche, medikamentöse Behandlung. Um das Risiko eines Rückfalls zu verringern, erhalten die Patienten eine individuell abgestimmte Chemotherapie, bei Vorliegen von Enddarmkrebs auch in Kombination mit einer Strahlentherapie.

Bei fortgeschrittenem, metastasierendem Darmkrebs kommen ergänzend zur Chemotherapie sogenannte zielgerichtete Medikamente (targeted therapies) auf Antikörperbasis zum Einsatz. Diese wirken direkt auf die Stoffwechselvorgänge der Krebszellen. Die Medikamente basieren auf verschiedenen Wirkmechanismen, die auf unterschiedlichen Wegen das Wachstum der Tumorzellen hemmen und ein Fortschreiten der Erkrankung verhindern sollen. Wir bieten auch PIPEC (pressurized intraperitoneal aerosol chemotherapy) und HIPEV (hypertherme intraperitoneale Chemotherapie) an.

Welches Medikament das erfolgversprechendste ist, lässt sich nur individuell auf Basis der histologischen Eigenschaften des Tumors und weiterer Faktoren klären. Hinzu kommt die Abwägung möglicher Nebenwirkungen, die auch bei diesen Medikamentengruppen auftreten können. In der interdisziplinären Tumorkonferenz beraten die beteiligten Spezialisten ausführlich über den bestmöglichen Ansatz.

Eine vollständige Heilung im fortgeschrittenen Stadium ist auch mit diesem noch recht neuen Therapieansatz derzeit leider nicht möglich. Allerdings führen die Medikamente in vielen Fällen zu einer längerfristigen Eindämmung der Erkrankung und damit zu einer nachhaltigen Verbesserung der Lebensqualität.

INTEGRATIVE THERAPIEN

Während des stationären Aufenthaltes in Havelhöhe verbinden wir die schulmedizinischen Therapien mit integrativen Behandlungen, die Ihnen helfen, Ihre Selbstheilungskräfte zu stärken, das Immunsystem zu aktivieren und Kräfte zu mobilisieren.

Als begleitendes naturheilkundliches Medikament steht bei Darmkrebs die Mistel zur Verfügung, die das Immunsystem stärkt und zudem die Nebenwirkungen der Krebstherapie, z.B. Symptome eines möglicherweise auftretenden Erschöpfungs- bzw. Fatiguesyndroms, vermindern kann.

Weitere integrative Therapien können zusätzlich die Nebenwirkungen der Krebstherapie deutlich verringern. Dazu gehören unter anderem Bewegungs- und Körpertherapien, z.B. Heileurythmie und Rhythmische Massagen sowie Maltherapie und Musiktherapie. Eine zusätzliche Unterstützung sind unsere anthroposophischen Pflegetherapien, die die Regeneration fördern.

Zusätzlich haben Sie die Möglichkeit, eine psychoonkologische Beratung in Anspruch zu nehmen. Mögliche aufkommende Ängste können Sie dort ebenso thematisieren wie Auswirkungen der Erkrankung auf Ihre familiäre Situation oder Perspektiven für die Zeit nach der Behandlung.

PERSPEKTIVEN

Eine zentrale Rolle bei der Bekämpfung von Darmkrebs kommt den  Vorsorgeuntersuchungen - Darmspiegelung und ggf. Test auf unsichtbares Blut im Stuhl - zu. Auf diese Weise können gutartige Darmpolypen oft frühzeitig erkannt und entfernt werden, Darmkrebs entsteht erst gar nicht. Wie bei allen Krebserkrankungen gilt auch hier: Je früher ein Karzinom erkannt wird, desto besser stehen die Chancen auf vollständige Heilung. Aber auch bei einer weiter fortgeschrittenen Erkrankung stehen uns mittlerweile gute Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung, die die Lebensqualität für eine längere Zeit verbessern können. Im Darmkrebszentrum Havelhöhe arbeiten wir in diesen Fällen eng mit unserer Abteilung für interdisziplinäre Onkologie und der Station für supportive Krebs- und Palliativmedizin zusammen. 

NACHSORGE

Eine regelmäßige Nachsorge ist wichtig, um auf Veränderungen frühzeitig reagieren und möglicherweise auftretende Rückfälle gezielt behandeln zu können. Die Häufigkeit der Nachsorgeuntersuchungen beim Darmkrebs ist abhängig vom diagnostizierten Stadium der Erkrankung, den feingeweblichen Eigenschaften der Krebszellen und der Art der Operation. Ihr behandelnder Arzt im Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe wird mit Ihnen einen individuellen Nachsorgeplan besprechen und Ihnen diesen aushändigen.

Zusätzlich zur körperlichen und labormedizinischen Untersuchung sind die behandelnden Ärzte bei Bedarf bemüht, durch die Vermittlung psychologischer oder ergänzender medizinischer Angebote die Lebensqualität der Patientinnen weiter zu verbessern.

Website des Krebsinformationsdienstes

Vor Entlassung aus dem Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe erhalten Sie von unserer Nachsorgedokumentation und Studienambulanz einen Nachsorgepass, in den sämtliche Therapien und Kontrollen übersichtlich notiert werden. Die medizinische Nachsorge erfolgt ambulant über Ihren behandelnden Haus- oder Facharzt, mit dem wir eng zusammenarbeiten.

Wir bitten Sie zudem, sich in regelmäßigen Abständen in unserer Nachsorgeambulanz zu melden, damit wir Ihren Therapieverlauf dokumentieren können. Damit erfüllen wir als Onkologisches Zentrum eines der Qualitätskriterien für eine Zertifizierung der Deutschen Krebsgesellschaft.

REHABILITATIONSMASSNAHME

Die Rehabilitation (Reha) schließt sich in der Regel an die abgeschlossene Therapie an – z.B. nach der Bestrahlung. Die Teams aus Ärztinnen und Ärzten, Physiotherapeuten, Psychologen und Sozialdienst stehen Ihnen zur Verfügung, um die Rückkehr in den Alltag zu erleichtern. Der Antrag auf eine Rehabilitation kann in bestimmten Fällen bereits während des stationären Aufenthaltes gestellt werden. Der Sozialdienst unserer Klinik ist Ihnen gerne dabei behilflich und bespricht mit Ihnen zudem weitere Möglichkeiten, z.B. Anträge auf Schwerbehinderung, Hilfsmittel, etc.

UMGANG MIT FATIGUE

Bei Fatigue (Cancer related Fatigue, CRF) handelt es sich um ein Ermüdungssyndrom mit körperlicher Schwäche, Lustlosigkeit und Traurigkeit. Hinzu kommen häufig Störungen der biologischen Rhythmen, zum Beispiel Ein- und Durchschlafstörungen, mangelnde Regenerationsfähigkeit und ein erhöhtes Stressniveau. Neben der Krebserkrankung selbst scheinen schwächende Therapien eine Ursache für das Auftreten eines Fatigue zu sein. In einem multimodalen Ansatz integrieren wir in Havelhöhe eine gezielte Aktivierung durch Bewegungsprogramme sowie auf die Symptome abgestimmte integrative Therapieangebote. Diese bewirken nicht nur ein Wiederkehren der Kraft, sondern haben auch einen positiven Einfluss auf die Stimmung. In Einzel- oder Gruppengesprächen haben Sie zudem die Möglichkeit, Informationen und Hintergründe über Fatigue zu bekommen und erhalten hilfreiche Tipps für Ihren Alltag. Darüber hinaus geben wir Ihnen Hinweise zum Stressmanagement und vermitteln Techniken zur Entspannung und Regeneration. Bei Bedarf behandeln wir das Fatigue-Syndrom auch medikamentös, etwa mit Infusionen oder einer Misteltherapie.  

Wenn Sie den Verdacht haben, dass Sie von einem Fatigue-Syndrom betroffen sind, wenden Sie sich an Ihre behandelnde Ärztin/Ihren Arzt. Die erfolgreiche Behandlung der Symptome ist eine entscheidende Voraussetzung zur Rückkehr in ein aktives Leben nach einer Krebserkrankung.